„Wer nicht reist, wird immer glauben, dass seine Mutter die beste Köchin ist“, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Seit mehr als 3000 Jahren ist Tunesien nun schon ein beliebtes Ziel für jene, die das Bonmot auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen wollten: Phönizier, Karthager, Römer. Vandalen, Byzantiner, Araber, Normannen, Aragonier, Osmanen und Franzosen reisten in mehr oder weniger friedlicher Absicht hierher und haben Spuren hinterlassen.
Auch Fanz Maget, der frühere bayerische SPD-Chef, hat Tunesien für sich entdeckt: Seit Januar lebt er in Tunis und arbeitet als Sozialreferent an der Deutschen Botschaft. Vom politischen System in Tunesien ist er durchaus angetan: „Es ist von allen nordafrikanischen Ländern die am weitesten fortgeschrittene Gesellschaft“, sagt er in einem Interview der Süddeutschen Zeitung vom heutigen 2. September. „Es gibt Meinungsfreiheit, eine freie Presse, die über sehr viele Probleme berichtet, die vor einigen Jahren noch tabu waren. Tunesien entwickelt sich zu einem freien Land“, ist er überzeugt.
Tunesien ist das Geburtsland des sogenannten Arabischen Frühlings und ist das einzige Land in der arabischen Welt, in dem die Demokratieproteste in bedeutende politische Reformen mündeten. Seine Unabhängigkeit hatte das Land 1956 erlangt. Bis 2011 wurde es durchgängig autoritär von der Einheitspartei Neo Destour/RCD regiert.
Dann begannen mit der Revolution in Tunesien 2010/11, im Ausland auch als Jasminrevolution bekannt, die umwälzenden politischen Ereignisse, die am 17. Dezember 2010 starteten, mit landesweiten Massenunruhen, die sich seit Ende Dezember 2010 über die Zentren des Landes ausbreiteten und sich in Wellen von Protestaktionen gegen das Regime und die Lebensbedingungen in Tunesien, aber auch in Gewaltausbrüchen und Plünderungen ausdrückten. Auslöser war die sich rasch verbreitende Nachricht über die Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 in Sidi Bouzid, einer 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Tunis im Landesinneren gelegenen Stadt. Die Unruhen, die sich schnell zu einer Revolution ausweiteten, hatten sich – begünstigt durch soziale Netzwerke – spontan an verschiedenen Orten aus Einzelereignissen heraus gebildet und waren nicht einheitlich organisiert. Angesichts der sich nach wochenlangen Unruhen zuspitzenden Lage verließ das tunesische Staatsoberhaupt Zine el-Abidine Ben Ali nach 23 Regierungsjahren am 14. Januar 2011 fluchtartig das Land, über das der Ausnahmezustand verhängt wurde. Diesem Datum ist heute ein Platz gewidmet.
In der Folge wurde eine Verfassunggebende Versammlung gewählt, die 2014 eine neue Verfassung verabschiedet hat.
Fakt ist aber auch, dass durch die Demokratiebewegung auch der Islamismus Auftrieb erhalten hat. Die Übergangsregierung war eine islamistische. 2013. Nach dem Mord an einem linken Oppositionspolitiker im Juli 2013 brodelte das Land. Die islamistische Übergangsregierung nahm es nach Einschätzung der säkularen Opposition mit der Aufklärung nicht allzu genau. In dieser Situation formierte sich das Dialogquartett, das im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhalten hat. Gemeinsam schoben sie einen „Nationalen Dialogprozess“ an, der den Weg in die Anarchie verhinderte, die bester Nährboden für Terrorismus ist. Als vier Wochen später erneut ein Oppositionspolitiker ermordet wurde, hatte das Quartett, das sich aus säkularen und islamistischen Vertretern zusammensetzt, das Gefühl, jeden Moment scheitern zu können. In Sitzungen, die bis zu 20 Stunden gedauert haben sollen, haben die vier Mediatoren es aber dann doch geschafft, die Säkularen und die Islamisten zu einem Kompromiss zu bewegen. Ihrer Zähigkeit sei es zu verdanken, dass Tunesien heute als Land gilt, das „auf einem guten Weg ist“, wie der deutsche Botschafter in Tunis, Andreas Reinicke, sagte.