Eine Meditation über Werden und Vergehen: Der Ätna mit seinen Verwüstungslandschaften bietet nicht nur Einsichten in das Zerstörungspotenzial der Natur, sondern auch in das eigene Selbst. Der Ätna ist eine zur Metapher gewordene Naturgewalt für den Kreislauf des Lebens.
Erstarrte Lavaskulpturen, bleiche Baumskelette in schwarzer Lava, ungeahnte Bilder, die Schönheit des Todes, der Zerstörung und der Wiedergeburt sind auf diesem Vulkan zu finden. Das Leben, das sich auch von der Naturgewalt nicht unterkriegen lässt, bahnt sich unermüdlich seinen Weg, setzt seinen Kreislauf von geboren werden und sterben unverdrossen fort. An vielen Stellen grünt es schon wieder, das Greiskraut mit seinen dicken, filzig graugrünen Blättern bildet kräftige Büschel.
Bäume stemmten sich mit allem der mörderischen Hitze des Lavastroms entgegen. Manche, so scheint es, trotzten der Glut mit solcher Macht, sie einen Umweg genommen hat. Und dann, mitten in der Lava, rot auf schwarz: Marienkäfer. Sie haben sich ihr unwirtliches Domizil nicht selbst gewählt, der Wind hat sie hier abgesetzt. Ihre Überlebensaussichten: schlecht.
Steil geht es am Krater nach unten, gleich einem Fahrstuhlschacht direkt in die Hölle. So riecht es hier oben auch. Das Gestein ist rot von Eisen, gelb von Schwefel, schwarz von Kohlenstoff, zuweilen mit zarten metallisch-blauen Überzügen von Mangan und anderen Metallen. Mehr als 300 solcher Nebenkrater soll es am Ätna geben. Viele von ihnen sprießen wie Pickel an den Flanken des Berges..
Der Ätna ist kein spontaner Killer wie der Vesuv. Aber wenn er ausbricht, sind etwa 900000 Menschen, die in seinem Einflussbereich leben, in Gefahr. 1669 etwa gelangte die Lava bis nach Catania und überrollte zwei Viertel am Nord- und am Südrand der Stadt; 2001 stoppte sie wenige Kilometer vor Nicolosi und zerstörte ein Jahr später an ganz anderer Stelle, im Nordosten, die Station Piano Provenzana; 1992 hielt sie genau vor dem ersten Haus von Zafferana. Dabei sind nicht unbedingt die größten, dramatischsten Ausbrüche am gefährlichsten, sondern die, die am längsten anhalten und dem langsam vorrückenden Lavastrom immer neue Nahrung geben. Deshalb wird der Ätna überwacht wie ein Schwerverbrecher: belauscht und vermessen, abgetastet und gefilmt. Nur eine Fußfessel gibt es für ihn noch nicht.
Ein Netz von 50 seismischen Stationen registriert jede Aktivität des über 3300 Meter hohen Berges. vier automatische Kameras, deren Aufnahmen lückenlos gespeichert werden, haben ihn permanent im Visier; eine Thermokamera registriert die Wärmestrahlung und entdeckt heiße Gase, wo die optischen Kameras nur Luft sehen; Radon-Messstationen erkennen Änderungen in der Gaszusammensetzung.
Alles läuft zusammen im Kontrollzentrum des Vulkanologie-Instituts in Catania, einem mit Monitoren vollgestopften Raum, der rund um die Uhr mit zwei Leuten besetzt ist – wobei einer von beiden Seismologe sein muss, weil die Gefahr zu groß ist, dass ein Signal fehlinterpretiert und falscher Alarm ausgelöst würde. Vertrauen ist nichts, Kontrolle ist alles. Dem Vulkan ist das egal. Er macht eh, was er will
Der Ätna ist ein aktiver und mit rund 3323 Meter über dem Meeresspiegel auch, je nach Grenzziehung, der höchste VulkanEuropas. Er prägt Sizilien und bildet die eindrucksvolle Kulisse der Großstadt Catania. Am 21. Juni 2013 hat dieUnesco den Ätna in die Liste des Weltnaturerebes aufgenommen. Der Ätna hat eine große mythologische Bedeutung. Unter anderem soll sich der griechische Philosoph Empedoklesder Legende nach in den Krater des Ätna gestürzt haben, um sein Leben zu beenden. Auch später im Mittelalter war der Ätna ein häufiges Element der Sagenwelt. So taucht er in der Artussage als Paradies auf, häufiger gilt er jedoch als Ort der Verdammnis. Dementsprechend verlegt Dante im Inferno seiner Divina Comedia den Mongibello mit „der düsteren Schmiedewerkstatt des Vulkan“ in die Hölle, den Ort der Strafen.