Der letzte Blick

Bs. As. hält das, was es verspricht. Eine atemberaubende Metropole, brüllend laut, voll, rasant, kurz: unbeschreiblich.

Tango: Eine unbeschreiblich schöne Musik, unglaublich elegante Tänzer und, leider, noch mehr Kommerz. Als allein reisende Frau hätte ich an jeder Ecke einen Tänzer haben können, für Geld natürlich. 20 Dollar. US Dollar. Aber: europäischen oder japanischen Frauen mit ihren „Tango Lovers“ bei der Milonga zuzusehen – braucht das jemand? Oder zu beobachten, wie sich amerikanische Schnitzelgesichter mit einer Tango-Tänzerin ablichten lassen – noch schlimmer!

American Tango
Possierlich

Essen: gibt es an jeder Straßenecke. Cafés, Restaurants, Parrillas, Sandwich- und Hotdogstände, Obst, Eis, Pizza, Burgerking, Starbucks, einfach alles. Wer nach Argentinien kommt, sollte Fleisch als Nahrungsmittel wenigstens theoretisch in Betracht ziehen, auch wenn ich unter dem Label „Green Eat“ an etwas Fleischloses gekommen bin. Die Steaks sind natürlich unbeschreiblich, aber jeden Tag konnte ich das nicht zu mir nehmen.

Sehenswürdigkeiten: Im klassischen Sinn gibt es wenige, die in den Reiseführern genannten sind schnell abgearbeitet. Zum Glück, denn dann bleibt Zeit, sich einen eigenen Blick auf die Stadt zu verschaffen und auch einen Blick hinter die Kulissen zu wagen. Immerhin einige Superlative: Gesehen habe ich die breiteste Straße der Welt, die 18-spurige Avenida 9 de Julio. Und den breitesten Mündungstrichter der Welt, der des Río de la Plata.

Schattenseiten: Gesehen habe ich auch das, was in dieser Stadt nicht glitzert: Obdachlose, die selbst vor der Kulisse des Kongresses campieren, oder die Cartoneras, die den Müll durchsuchen, hauptsächlich nach Altpapier, das sie dann für ein paar Pesos weiter verkaufen.

Ich habe erlebt, wie am helllichten Tag in der besten Gegend einem Mann das Handy aus der Hand gerissen wurde. Mir selbst ist zum Glück nichts dergleichen passiert, aber ich war mir auch nicht zu fein, in der Rush Hour in der überfüllten Subte meinen Rucksack zum „Brustsack“ zu machen, so wie das selbst die Portenos tun. Und in manchen Gegenden ließ ich die Kamera lieber ganz in der Tasche und hab auf mein Handy zurück gegriffen. Oder hab gar nicht fotografiert.

Alleine in Buenos Aires: Als Frau alleine in dieser Metropole unterwegs zu sein, ist kein Problem. Außer einigen Macho-Bemerkungen hat frau nichts Übergriffiges zu befürchten, zumindest in den „unproblematischen“ Barrios. In Cafés, in Restaurants ist völlig normal, alleine am Tisch zu sitzen, tagsüber machen das viele. Abends ist es ein bisschen frustrierend, weil dann die Portenos nur im Pulk unterwegs sind, riesen Stimmung machen und man sich deswegen ein bisschen ausgestoßen fühlt.

Nervig: Die Sache mit dem Geld. Im Zentrum schallt es von überall her „Cambio, cambioooooo“. Männer, Frauen, Junge und Alte bieten einem an, Devisen zu wechseln. Ich habe das nicht gemacht. Ich hab Geld am Automaten abgehoben, wobei das ziemlich viel Gebühr kostet. Und ich war in der Wechselstube einer Bank, das ist ein ziemlicher Staatsakt mit Pass und allem drum und dran, dauert ewig und kostet natürlich auch. Aber immerhin hab ich so erlebt, dass die Argentinier so wenig Vertrauen in ihr Geld haben, dass sie sogar kleinere Mengen, die sie erübrigen können, in Dollars umtauschen.

Wechselstube
Wechselstube

Um in etwa einen Überblick zu haben, was etwas kostet, hatte ich eine Devisen-App auf dem Handy. Üblich ist es hier, mit Scheckkarte zu bezahlen, aber irgendwie hatte ich, umgerechnet bei 5-Euro-Beträgen, Hemmungen, die Karte zu zücken. Hier zahlt auch im Supermarkt keiner bar, die Folge ist, dass es dort kein Wechselgeld gibt. So habe ich nicht nur einmal den ganzen Betrieb aufehalten, weil die Kassiererin Münzen ranschaffen musste. Der Porteno kann übrigens auch Schuhe oder Kleidung auf Raten kaufen. Wie das funktioniert, hab ich allerdings nicht ausprobiert.

Shopping: Abgesehen von den währungstechnischen Erschwernissen ist Buenos Aires nicht gerade ein Shopping-Paradies. Es gibt sehr schöne Einkaufspassagen in der Innenstadt, dort könnte man sich mit Allerwelts-Luxusartikeln eindecken. Aber dafür muss man nicht 12000 Kilometer weit fliegen. Für Tangotänzer ist das hier natürlich ein Paradies, aber dafür muss man nicht extra herkommen, gibt’s auch alles im Internet.

Es gibt unglaublich viele individuelle Geschäfte, in die hineinzugehen man allerdings als Tourist ein wenig Hemmungen hat. In den Souvenirläden gibt es eigentlich nur schreckliche Dinge. Oder Mate-Behältnisse. Aber dieses Nationalgetränk hat sich mir nicht erschlossen. Ich beschloss für mich, nicht alles mitmachen zu müssen.

Matebehälter sind meist aus einem Kürbis.
Matebehälter sind meist aus einem Kürbis.

 

 

 

 

 

Schön sind die Märkte, die sonntags in den Parks stattfinden. Aber dann ist ja auch die Mitnahmekapazität bei so einer Reise begrenzt…

Markt in Recoleta.
Markt in Recoleta.

Postkarten: gibt es nicht an jeder Straßenecke. Man findet aber schließlich ganz schöne. Schreibt diese und bringt sie zur Post. Wo es einem fast die Schuhe auszieht: Für zehn Stück nach Deutschland hab ich 430 Pesos bezahlt, das sind rund 25 Euro. Ich hatte einfach kurzzeitig vergessen, wie weit ich hier von zu Hause entfernt bin.

A propos zu Hause: Für mich geht es morgen zurück auf die Nordhalbkugel, hoffentlich ohne dicken Mann neben mir.

Carlos Gardel bekommt nun das letzte Wort, während ich meinen Koffer packe. Er singt schließlich jeden Tag besser…

Mi Buenos Aires Querido

Im Museum

Dort, wo einst das Wasser des Río de la Plata gereinigt wurde, in einer ehemaligen Pumpstation, ist heute wunderbare Kunst zu sehen. Im Museo Nacional de Bellas Artes sind die Größen Europas zu sehen, allen voran Goya. Seit 1933 hängen sie hier in diesem Gebäude an der Avenida del Libertador im Stadtteil Recoleta. Für seinen neuen Zweck als Museumsbau wurde das Nutzgebäude von dem Architekten Alejandro Bustillo umgebaut.

Das Museum wurde am 25. Dezember 1895 in dem Gebäude auf der Calle Florida eröffnet, in dem sich heute das Einkaufszentrum Galerías Pacífico befindet. Erster Direktor war der Maler und Kunstkritiker Eduardo Schiaffino.

Im Erdgeschoss befinden sich 24 Ausstellungsräume für eine internationale Sammlung vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Die erste Etage beherbergt acht Räume, in denen einige der wichtigsten argentinischen Maler des 20. Jahrhunderts ausgestellt sind, darunter Xul Solar. In der zweiten Etage, erst 1984 fertiggestellt, sind Fotografien und Skulpturen zu sehen.

Das Haus gilt vielen als das wichtigste in Lateinamerika mit seiner Sammlung von rund 12000 Werken. Es beherbergt die wichtigste lateinamerikanische Sammlung von Impressionisten, von Manet bis Sorolla, Van Gogh über Gauguin bis hin zu Degas.

Das Selbstverständnis des Museums ist, dass es der Allgemeinheit gehört. Deshalb ist der Eintritt frei.

Keinen freien Eintritt – aber mittwochs nur die Hälfte (45 Pesos) zahlt der Besucher im Museo de Arte Latinoamericano de Buenos Aires (MALBA). Das 2001 eröffnete Kunstmuseum hat seinen Sitz an der Avenida Figueroa Alcorta im Barrio Palermo. Es beherbergt die Sammlung des argentinischen Geschäftsmannes Eduardo Costantini. Zu sehen sind mehr als 200 Arbeiten aus allen Bereichen der Bildenden Kunst von etwa 80 Künstlern, darunter Schlüsselwerke lateinamerikanischer Kunst des 20. Jahrhunderts, so von Frida Kahlo, Diego Rivera, Wifredo Lam und Roberto Matta. Daneben gibt es spezielle Ausstellungen und Programme.

Das Museumsgebäude wurde vom in Córdoba/Argentinien ansässigen Architekturbüros AFT Arquitectos geplant und realisiert und schon alleine das Gebäude ist einen Besuch wert.

Aus Rosario stammt nicht nur Lionel Messi, sondern auch Antonio Berní (1905 bis 1981). Das Werk des  Malers und Grafikers wird vor allem mit einem sich wandelnden Selbstbewusstsein der Arbeiterklasse Argentiniens assoziiert. Sein „Nuevo Realismo“ beschäftigt sich häufig mit dem Leben der einfachen Bevölkerung in Städten wie auch dem ländlichen Raum. Ein eindrucksvolles Beispiel ist im MALBA zu sehen:

Manifestación, 1934
Manifestación, 1934

 

Der Turm

Sie zählt zu den wichtigsten Bibliotheken Amerikas: die Biblioteca Nacional de la República Argentina. Ein bisschen schäbig wirkt sie von außen, ein bisschen heruntergekommen. Was einfach daran liegt, dass sie bereits zum Zeitpunkt ihres Bezuges wieder sanierungsbedürftig war. Das hat Beton so an sich.

Das Gebäude mit Blick auf den Río de la Plata, im Stile des Brutalismus erbaut, wurde 1972 begonnen und nach 20-jähriger Bauzeit am 10. April 1992 eingeweiht. Die Architekten waren Clorindo Testa, Francisco Bullrich und seine Frau Alicia Cazzaniga de Bullrich. Sie respektierten die Baumschutzvorgabe, möglichst viel von dem Grundstück unbebaut zu lassen, damit nur so wenig alte Bäume wie unbedingt nötig gefällt werden mussten. Deshalb wurde das Erdgeschoss weitgehend freigelassen, die Büchermagazine wurden in drei Kellergeschosse verlegt und der Lesesaal  in den fünften Stock angehoben. Dort können sich die Leser nicht nur in ihre Bücher versenken, sondern einen spekakulären Blick auf den Fluss genießen.

Der Umstand der Sanierungsbedürftigkeit zum Zeitpunkt des Umzuges drückt sich bis heute in Mängeln und immer wieder auftretenden Schäden der Gebäudetechnik aus. Auch die Lage des Gebäudes ist für seinen Zweck etwas problematisch: Weil der Hang zum Río de la Plata abfällt, führt das bei Hochwasser oder starkem Regen dazu, dass der unterste der drei Magazinkeller durch den Anstieg des Grundwasserspiegels gelegentlich teilweise geflutet und dadurch eine dauerhafte Lagerung von Bibliotheksgut in diesem Bereich so gut wie unmöglich gemacht wird.

Die Bibliothek verfügt unter anderem ein Exemplar von „De civitate Dei“ des heiligen Augustinus sowie zwei Exemplare der „Göttlichen Komödie“ von Dante Alighieri – die werden vermutlich nicht im Keller gelagert. Aber immerhin sind sich die Bibliothekare sicher, dass es sie gibt. Da das in der Nationalbibliothek eingehende Material seit ihrer Gründung nicht einheitlich inventarisiert wurde und zur bibliografischen Verzeichnung im Laufe der Zeit über 70 verschiedene Zettelkataloge und Datenbanken angelegt wurden, lassen sich bei allen anderen Bücher nur schwer konkrete Angaben über den quantitativen Umfang der Bestände machen. Seit Ende Juli 2006 ist bekannt, dass die Anzahl Monografien bei einer Größenordnung von 750000 Bänden liegt.

Aufgrund des nur sehr geringen Erwerbungsetats der Nationalbibliothek kommt der überwiegende Teil des Materials per Tausch und Geschenk, in Form von Nachlässen oder über das argentinische Pflichtexemplarrecht in die Bibliothek, die jedoch nur rund ein Drittel der abzugebenden Publikationen tatsächlich erhält, weil sich viele der Verlage nicht an das Pflichtexemplargesetz halten. Kontrolliert wird die Abgabe durch die Buchhandelskammer selbst, die außerdem die Internationale Sammelbuchnummer (ISBN) festlegt. Deshalb hat die Nationalbibliothek keinen genauen Überblick über die Buchproduktion und kann das Material nicht systematisch einfordern.

Der für viele bedeutendste argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges war von 1955 bis 1973 Direktor der Nationalbibliothek. Er war ab seinem 50. Lebensjahr vollständig erblindet, Gegner Perons und zunächst Anhänger der Militärdiktatur, von der er sich erst spät distanzierte. Bereits 1941 schrieb Borges, die Erzählung „Die Bibliothek von Babel“, eine Spekulation über eine mögliche Welt, die als eine Bibliothek aller möglichen Bücher dargestellt ist. So als hätte er den brutalistischen Neubau der Bibliothek bereits 50 Jahre vorher vorausgesehen.

Bücher sieht man in der Nationalbibliothek indes so gut wie keine. Besuchen kann sie jeder, um in den Lesesaal im fünften Stock zu gelangen, reicht ein Pass. Fotografieren darf man nicht, dafür braucht es eine Genehmigung der Direktion. Aber das wäre jetzt eine weitere Geschichte…

Escalinata al cielo

Plötzlich ist man nicht mehr auf Augenhöhe mit der Welt: Vom Torre Mitre führt eine eiserne „Stairway to Heaven“ auf die Aussichtsplattform. Der endlose Großstadtdschungel Buenos Aires breitet sich in einem atemberaubenden Panorama aus und von hier oben über dem Häuserdickicht kann der Blick bis zum Fluss schweifen. Manchmal muss man einfach die Perspektive wechseln, um den Himmel zu sehen.

 

 

 

Mit der Schere in die Wahlkabine

Wer in Argentinien wählen geht, sollte tunlichst eine Schere mit in die Wahlkabine nehmen. Einen Stift braucht er nicht. Das poltitische System Argentiniens ist komplex, das fängt schon beim Wahlsystem an, das auch von internationalen Wahlbeobachtern scharf kritisiert wird, weil in den Wahlkabinen extra Wahlzettel von jeder Partei liegen („Listas Sábanas“). Auf Deutsch bedeutet dies in etwa „Betttuch-Listen“, weil die Zettel oft sehr groß sind. Die Wähler geben ihre Stimme durch die richtige Auswahl des Stimmzettels ab. Zettel einer unliebsamen Partei könnten also leicht aus den Kabinen entfernt werden, weswegen die Parteien an jeder Kabine einen Beobachter aufstellen, was enorme Kosten verursacht. Auch Stimmensplitting ist theoretisch möglich, aber dafür müssten die Wähler die einzelnen Wahlzettel auseinanderschneiden.

Der Kongress, also die Legislative, bestehend aus einer Abgeordnetenkammer und dem  Senat und wird meist in allen Provinzen zu anderen Zeitpunkten gewählt. Die Anzahl der Abgeordneten der Abgeordnetenkammer wird per Verhältniswahlrecht ermittelt und ist nach einem bestimmten Schlüssel auf die Provinzen verteilt, sie beläuft sich auf etwa einen Abgeordneten pro 152.000 Einwohner. Die Abgeordneten werden für vier Jahre gewählt, allerdings jeweils die Hälfte der Abgeordneten alle zwei Jahre. Die Anzahl der Senatoren beträgt drei je Provinz und drei für die autonome Stadt Buenos Aires. Der Senat wird im Gegensatz zur Abgeordnetenkammer nach einem Sonderfall des Mehrheitswahlrechts gewählt; zwei Senatorensitze erhält die Partei mit den meisten Stimmen, einen Sitz die Partei mit den zweitmeisten Stimmen. Die Senatoren werden für einen Zeitraum von sechs Jahren gewählt, alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren gewählt. Sie tagen im Kongresspalast.

Wenn der Berliner Reichstag und das Kapitol ein Kind haben könnten, dann wäre dies das Parlamentsgebäude in Buenos Aires. Das Hauptportal erinnert an das Deutsche Parlament, die mächtige Kuppel an das Äquivalent in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten.

Der Kongresspalast in Buenos Aires wurde von denselben Architeken geplant wie das Teatro Colon.
Der Kongresspalast in Buenos Aires wurde von denselben Architeken geplant wie das Teatro Colon.

Hier ist das Zentrum der Macht, verbunden durch die Avenida de Mayo mit dem Casa Rosada, dem Regierungssitz. Seit Dezember 2015 ist Mauricio Macri Staats- und Regierungschef der República Argentina, so der offizielle Eigenname. Die Präsidiale Bundesrepublik ist unter anderem Mitglied in der G20 und  in der UNO. Die Hauptstadt ist Buenos Aires, die Amtssprache: Spanisch, die Menschen hier sind mehrheitlich Katholiken. Das Land hat eine Fläche von 2.780.403 Quadratkilometern, im Vergleich: Deutschland hat 357.168 Quadratkilometer.

Die Provinzen sind die Gliedstaaten des argentinischen Bundesstaates. Sie haben jeweils eine eigene Provinzverfassung, eine Provinzregierung unter Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs und ein Parlament. Es gibt 23 Provinzen und die autonome Stadt Buenos Aires.

43,132 Millionen Einwohner (Deutschland: 81.459.000) leben in Argentinien, das entspricht einer Bevölkerungsdichte von 15,5 Einwohner/km² (Deutschland: 226 Einwohner). Das Bevolkerungswachstum liegt bei einem Prozent (in Deutschland derzeit keines). Auf jede Frau kommen im Schnitt 2,2 Geburten (Deutschland im Jahr 2012: 1,38). Im Hinblick auf die Einwohnerzahl nimmt es  Platz drei in Südamerika und den fünften Rang in ganz Amerika ein.

Gemessen an der Fläche ist es der achtgrößte Staat der Erde und der zweitgrößte des südamerikanischen udn der viertgrößte des amerikanischen Doppelkontinentes. Seine Fläche macht Argentinien zum größten spanischsprachigen Land der Welt. Wegen seiner großen Nord-Süd-Ausdehnung hat das Land Anteil an mehreren Klima- und Vegetationszonen.

Nationalfeiertag ist der 25. Mai und geht auf die „Revolución de Mayo“ im Jahr 1810 zurück Die Mai-Revolution gipfelte in der Errichtung der ersten von der spanischen Krone unabhängig gebildeten Regierung des Staates, der sich sechs Jahre nach der Mai-Revolution als vom Mutterland unabhängig erklärte und heute den Namen Argentinien trägt.

In den Umsturz involviert waren in erster Linie Menschen mit spanischer Herkunft aus der oberen Mittelschicht und Oberschicht Buenos Aires‘. Im Zuge der Mai-Revolution kam es zu keiner großen Gewaltausübung; die Bezeichnung der Ereignisse als „Revolution“ betont vor allem den Wechsel des Regierungssystems.

Die Plaza de Mayo im Zentrum von Buenos Aires wurde nach diesen Ereignissen benannt. Am 25. Mai nahm die autonome Regierung ihre Arbeit auf.

 

Das heutige System ist vor allem für die Wähler sehr undurchsichtig und begünstigt vor allem Personenkult als auch Korruption.

So werden beispielsweise die Wahlen zum Senat und dem Repräsentantenhaus meist gemeinsam mit Bürgermeisterwahlen durchgeführt, was aufgrund der so genannten Listas Sábanas zu Verzerrungen führt.

Belleza y Fealdad

Seit über 40 Jahren gibt es in Buenos Aires jeden Sonntag einen Grund, früh aufzustehen und nach San Telmo zu fahren: die „Feria de antigüedades y cosas viejas ubidada en la Plaza Dorrego – Humberto I y Defensa“. Schier endlos breiten sich Buden entlang der Defensa aus, bestückt mit wirklichen Antiquitäten, vermeintlichen Antiquitäten, hübschem Kunsthandwerk und hässlichem Ramsch. Dazwischen rauchen die Parrillas, verkaufen fliegende Händler einen selbst gebackenen Kuchen oder preisen warme Empanadas an.

Kulmintionspunkt der Fiera San Telmo ist die Plaza Dorrega.
Kulmintionspunkt der Fiera San Telmo ist die Plaza Dorrega.

Kulminationspunkt des quirligen Treibens ist die Plaza Dorrega, wo sich Buden dicht drängen und noch dichter die Besucher aus aller Welt, die die Tangotänzer bewundern, die sich zwischen den Ständen einen Platz bahnen.  Aber auch Koffertheater, Solokünstler jedes Genres und jeglicher Qualität sowie beachtliche Newcomer-Orchester buhlen um die Gunst der Marktbesucher – und um deren Pesos.

Das Gedränge in den Straßen wird gegen Mittag immer größer. Touristen und Portenos schlendern einträchtig durch das Viertel. Zu bestaunen gibt es für beide Gruppen allerlei: Tassen aus alten Bierdosen, plattgewalzte Wodkaflaschen für welchen Zweck auch immer und Lederwaren aller Art. Die Lederjacke ist in Buenos Aires, vermutlich in ganz Argentinien, für Männer und Frauen in etwa das gleiche Standardkleidungsstück wie für einen Mitteleuropäer die allwettertaugliche Funktionjacke. Aus „Jack Wolfskin“ wird am Río de la Plata „Jack Cowskin“.

cowskin
Lederwaren aller Art, darunter Jacken aller Couleur, wereden auf der Feria angeboten. Ncht alle antiquarisch, aber auch…

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Mit Subte, Sube und zu Fuß

Buenos Aires fordert Zeit und Geschwindigkeit, um sich darin zu bewegen. Die schnellste Möglichkeit ist die „Subte“, die Metro (http://www.buenosaires.gob.ar). Aktuell kostet eine Fahrt, egal wie weit, 5 arg. Pesos. Man kann sich einen Subte-Pass holen, dann kostet eine Fahrt 4,50 Pesos.

Die Tickets gibt es an einem Schalter, Fahrkarten-Automaten gibt es keine. Mit dem Fahrschein wird dann die Sperre entriegelt. Ds Ticket steckt man in den Entwerter, den Subte-Pass legt man auf ein dafür vorgesehenes Feld, der Betrag wird dann abgebucht.

Oft sind die Züge sehr voll. Ergattert man einen Sitzplatz, dann gibt man den frei, wenn man sieht, dass jemand dringender sitzen müsste als man selbst. Auch fahren die letzten Züge schon kurz vor 23 Uhr.

Weit aufregender als die Subte ist das Busfahren, aber auch viel interessanter, weil man etwas von der Stadt sieht und immer etwas nervös ist, ob man die richtige Linie erwischt hat. Busfahrer nehmen kein Geld. Beim Einsteigen sagt man ihnen das Ziel und dann geben sie den Fahrpreis in ein Gerät ein. Um das Ticket zu lösen, braucht man einen Sube-Pass, den gibt es unter anderem an Zeitungskiosken und der kostet derzeit 30 Pesos (http://www.transporte.gob.ar). Dann muss man noch ein Guthaben draufladen lassen, das geht auch an Kiosken. Eine Fahrt kostet meistens 3,50 Pesos. Subte und Sube sind nicht kombinierbar, also beim Umsteigen in ein anderes Verkehrsmittel immer den passenden Schein lösen.

Busse müssen an den Haltestellen herangewinkt werden. Dort gibt es auch kein Gedränge, sondern die Fahrgäste bilden eine ordentliche Reihe. Auch hier drängt sich niemand vor. Nicht alle Buslinien nutzen die gleiche Haltstelle, man muss da ein bisschen schauen. Und an vielen Haltestellen steht auch nicht der Name. Man muss ein bisschen „intuitiv“ fahren. Weil es hier ein Einbahnstraßensystem gibt, fahren die Busse zurück meistens in einer anderen Straße ab. Es gibt auf jeden Fall auch ein Buch mit allen Linien, das habe ich mir aber nicht gekauft, denn irgendwie fahren alle Busse sowieso zum Obelisken und da kann man dann notfalls in die Subte umsteigen, wenn man sich verfahren hat. Bis zur Endstation zu fahren und dann wieder zurück erachte ich als keine passende Alternative, denn manche Linien sind, wie es heißt, bis zu 50 Kilometer lang.

Weil es bei den Portenos verpönt ist, mehr als drei Blocks zu laufen, fahren auch viele mit dem Taxi, das ist relativ günstig und es gibt massenhaft davon. Man sollte aber auch auf jeden Fall darauf achten, ein „Radio-Taxi“ herbeizuwinken und dem Fahrer nicht das Gefühl geben, dass man sich überhaupt nicht auskennt.

Ich bin trotzdem viel gelaufen. Bequeme Turnschuhe sind deshalb das modische Gebot der Stunde. An Fußgängerampeln wartet man eigentlich nicht, sondern geht los, sobald kein Auto mehr kommt. Weil es meistens Einbahnstraßen sind, ist das Risiko, überfahren zu werden, relativ leicht zu überblicken.

Auf jeden Fall empfiehlt es sich, immer einen Stadtplan dabei zu haben, noch besser das Navi im Handy. Weil es in den Subte-Stationen freies WLAN gibt (man registriert sich, indem man die Benutzungsbedingungen akzeptiert, also keine schwierige Sache), kann man da auf jeden Fall die Route nochmal checken, bevor man sich raus in den Großstadtdschungel stürzt. Wer gerne überall ins Internet möchte, der kann sich auch eine argentinische Telefonkarte holen, das ist wesentlich günstiger als zum deutschen Anbieter ein Auslands-Paket dazuzubuchen.

Jedenfalls bleibt eine Stunde Minimum schnell auf der Strecke, um das Ziel zu erreichen. Es empfiehlt sich also, die Aktivitäten zu planen, um nicht zu viel Zeit mit Fahren zu verlieren.

Die Welt zu Gast bei Folterknechten

Sonntag, 25. Juni 1978, im Estadio Monumental: Argentinien wird mit 3:1 nach Verlängerung gegen Holland Fußball-Weltmeister. Nur einen Steinwurf entfernt, in einem schmucken Gebäudekomplex am nördlichen Ende der belebten Avenida del Libertador, in dem die Militärakademie (ESMA) untergebracht ist, werden zur gleichen Zeit Menschen gefoltert.

Auf die umstrittene Weltmeisterschaft 1978, deren Endspiel in unmittelbarer Nachbarschaft zur ESMA stattfand, wird auch in der Gedenkstätte eingegangen.
Auf die umstrittene Weltmeisterschaft 1978, deren Endspiel in unmittelbarer Nachbarschaft zur ESMA stattfand, wird auch in der Gedenkstätte eingegangen.

Die Escuela de Mecánica de la Armada, früher Escuela Superior de Mecánica de la Armada (ESMA), eine Ausbildungseinrichtung der argentinischen Marine, war während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 gleichzeitig ein Geheimgefängnis und das größte Folterzentrum des Landes. Etwa 5000 Menschen wurden hier gefoltert und anschließend überwiegend ermordet, hauptsächlich tatsächliche und vermeintliche politische Gegner des Regimes. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen sollen nur rund 200 der Inhaftierten die Gefangenschaft überlebt haben.

Die ESMA unterstand dem Oberbefehlshaber der Marine und Mitglied der Junta Admiral Emilio Massera, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Durchführung des „schmutzigen Kriegs“ galt. Zwei der berüchtigtsten Folterer der ESMA waren die Militärangehörigen Alfredo Astiz und Miguel Ángel Cavallo. Cavallo wurde 2000 in Mexiko verhaftet und 2011 in Argentinien so wie Astiz zu lebenslanger Haft verurteilt.

Nach dem Ende der Diktatur 1983 wurde das 17 Hektar große parkartige Gelände, auf dem 34 Gebäude stehen, wieder ausschließlich für seinen ursprünglichen Zweck genutzt. Erst Präsident Néstor Kirchner setzte zum Jahrestag des Militärputschs 2004 durch, dass einige der Gebäude vom Militär geräumt und für eine Gedenkstätte zur Verfügung gestellt werden mussten. Nur widerwillig wurde diese Anordnung befolgt. So lange bildete das Militär auch nach dem Ende der Dikatatur tausende Marineschüler auf dem Gelände aus, so als sei dort nichts passiert – Zivilpersonen hatten keinen Zutritt.

Heute ist das Gelände eine Gedenkstätte. Junge Menschen führen Besucher individuell durch die ehemaligen Folterräume im dreistöckigen Offizierskasino und erklären die Abläufe: Die Opfer wurden von Männern in Zivil mit schweren Waffen aus ihren Wohnungen geholt. Ihnen wurden Kapuzen über den Kopf gezogen und sie wurden dann umgehend in die ESMA gebracht. Die meisten wurden dort zuerst in den „Sotano“ geschafft, den Folterkeller. Dort gab es einen Raum, dessen Wände mit Eierkartons beklebt waren. Meist drehten die Folterer das Radio auf volle Lautstärke, wenn sie ihren Opfern Elektroschocks an allen sensiblen Körperteilen verpassten.

Nach der physischen Folter wurden die Häftlinge in der Regel in den dritten Stock des Casinos gebracht, die so genannte Capucha (Kapuze). Die Häftlinge lagen dort auf stinkenden Schaumstoffmatratzen, mit einer Kapuze über dem Kopf und mit Eisenketten an Händen und Füßen gefesselt – rund um die Uhr. Ohne Tageslicht und unter erbärmlichen hygienischen Bedingungen. In den beiden Etagen unter der Capucha waren die Schlafräume der Offiziere. Die Opfer wurden als Desaparecidos (Verschwundene) bezeichnet. Nach Aussagen des argentinischen Offiziers Adolfo Scilingo wurden viele der in der ESMA Inhaftierten auf so genannten Todesflügen (Vuelos de la muerte) betäubt und nackt aus Flugzeugen über dem nahen Río de la Plata oder dem Atlantik abgeworfen.

Schwangere Frauen wurden zum Teil getötet, nachdem sie geboren hatten. Diese Säuglinge wurden zur Adoption an Familien von Offizieren weitergegeben, teilweise gegen Geld. Nach dem Ende der Diktatur 1983 versuchten viele Großeltern und verbliebene Elternteile, diese Kinder wiederzufinden. Die Organisation Großmütter der Plaza de Mayo schätzt, dass es in Argentinien insgesamt etwa 500 von den Schergen der Diktatur geraubte und dann im Geheimen zur Adoption freigegebene Kinder gibt. Etwa 105  während der Militärdiktatur verschwundene Kinder konnten mit ihren überlebenden Elternteilen oder rechtmäßigen Familien wieder zusammengeführt werden. Die Bemühungen dauern an. Die Konfrontation mit ihrer wahren Herkunft ist für die mittlerweile erwachsenen Kinder meist ein schmerzhafter Prozess – auch  weil ihre vermeintlichen Väter als Offiziere nicht selten an der Folterung und Ermordung ihrer tatsächlichen, leiblichen Eltern beteiligt waren.

Chicos
Wie konnten an diesem Ort Kinder geboren werden?

Die Überlebenden fordern noch heute Gerechtigkeit. Alle, die in der ESMA zu der Zeit waren, ob Offiziere oder Schüler, wussten von den Folterungen: Der reguläre Betrieb der Akademie lief parallel weiter. Opfer, Folterer und Marineoffiziere benutzten im Casino gemeinsam die selbe Treppe.

Der reguläre Betrieb der Akademie lief parallel weiter. Opfer, Folterer und Marineoffiziere benutzten im Casino gemeinsam die selbe Treppe.
Der reguläre Betrieb der Akademie lief parallel weiter. Opfer, Folterer und Marineoffiziere benutzten im Casino gemeinsam die selbe Treppe.

 

Aschenputtel

Müsste man Montevideo in einem Satz beschreiben, dann ginge das vielleicht so: Montevideo ist im Vergleich zu Buenos Aires so wie das Ostberlin der DDR zu New York City. Das mag vielleicht etwas hart klingen, aber die Hauptstadt Uruguay versprüht ein wenig den Charme des reals existierenden Sozialismus. Hier glitzert nichts, hier bröckelt viel und das Farbschema ist braun-grau-beige.

Über Uruguay weiß man aus europäischer Sicht ja nicht viel. Es ist das kleinste spanischsprachige Land in Südamerika. Uruguay grenzt im Norden an Brasilien, im Osten an den Atlantischen Ozean, im Süden an den Río de la Plata und im Westen (durch den Río Uruguay getrennt) an Argentinien. Der Rio de la Plata hat übrigens des angeblich größten Mündungstrichter der Welt.

Der Mündungstrichter des Rio de la Plata soll der größte der Welt sein. Von Montevideo aus sieht man jedenfalls nicht das andere Ufer.
Der Mündungstrichter des Rio de la Plata soll der größte der Welt sein. Von Montevideo aus sieht man jedenfalls nicht das andere Ufer.

Montevideo, die Hauptstadt, ist mit knapp 1,5 Millionen Einwohnern die einzige Großstadt und auch wichtigste Hafenstadt des Landes. Sie konzentriert nicht nur fast die Hälfte der Bevölkerung, sondern auch die Industrie und den Handel des Landes. Montevideo ist auch ein Zentrum der lateinamerikanischen Politik. Die Stadt gilt außerdem als für lateinamerikanische Verhältnisse sehr sicher.

Auch deutsche Kriegsverbrecher sollen nach Uruguay geflüchtet sein. Andererseits hat das Land ab 1935 auch vielen deutschsprachigen Juden Schutz geboten. Uruguay ist eine Demokratie, war spanische Kolonie, Bürgerkriege, Kriege gegen übergriffige Nachbarn wie Argentinien wurden regelmäßig geführt.

Im 19. Jahrhundert war Montevideo auf der Höhe der Zeit: Hier wurde das erste Theater in Lateinamerika gebaut, wurden die ersten
Kinofilme gezeigt, legten französische Gartenbauer großzügige Parks an.
Uruguay war um die Jahrhundertwende eine der fortschrittlichsten Nationen der Welt: Acht-Stunden-Arbeitstag, Stimmrecht für die Frauen, kostenloser Unterricht für alle, und die Trennung von Staat und Kirche.

Ab 1959 kam es zu großen wirtschaftlichen Problemen, die dazu führten, dass sich eine Stadtguerilla gründete, die unter der Bezeichnung Tupamaros bekannt wurde. Am 27. Juni 1973, inmitten einer Wirtschaftskrise mit hoher Inflation, entschloss sich das Militär zur Schließung des Kongresses und zur Übernahme der Macht. Erst zwölf Jahre später kehrte das Land zur Demokratie zurück, als im Februar 1985 Präsidentschaftswahlen stattfanden.

Dann ist natürlich Fußball ganz wichtig in diesem Land. Die Fußballnationalmannschaft Uruguays zählte zu den dominierenden Teams der Zwischenkriegszeit. So gewann sie die olympischen Fußballturniere in Paris 1924 und Amsterdam 1928 sowie die erste Fußball-Weltmeisterschaft, die 1930 im eigenen Land ausgetragen wurde. 1950 wurde Uruguay zum zweiten und bislang letzten Mal Weltmeister; zudem erreichte die Mannschaft bei den Weltmeisterschaften 1954, 1970 und 2010 jeweils das Halbfinale und belegte jeweils den vierten Platz. Bei letzterem Spiel machte es das Team um den auch international bekannten Diego Forlan gegen die Deutsche Nationalmannschaft richtig spannend.

Uruguay war zweimal Fußball-Weltmeister und richtete auch das erste Weltturnier 1930 aus.
Uruguay war zweimal Fußball-Weltmeister und richtete auch das erste Weltturnier 1930 aus.

„Du bist das Buenos Aires, das wir einmal hatten und das sich mit den Jahren leise davongemacht hat“, so schrieb der Argentinier Jorge Luis Borges über Montevideo. Das hat aber vermutlich auch mit Geldmangel zu tun. Montevideo hat seine besten Jahre hinter sich, der Traum von sozialem Fortschritt und sozialem Frieden ist in Uruguay lange ausgeträumt, und möglicherweise verbirgt sich hinter der fotogenen Nostalgie Montevideos auch einfach nur eine Depression.

Dabei sind Uruguay, Montevideo, heute wieder eine beliebtes Auswanderungsland auch  für Deutsche, die ihr Alter lieber auf der Südhalbkugel als auf Mallorca verbringen. Immobilien stehen in der bröselnden Altstadt genug an und auf entsprechenden Werbebannern werden sie auch auf Deutsch angepriesen.