Über 11000 Kilometer von Rom sind es nach Buenos Aires oder 15 Flugstunden. 15 Flugstunden sind knapp zwei Arbeitstage oder eine einfache Autofahrt von meiner Heimat in die „Citta eterna“. Kurz gesagt: 15 Stunden sind ziemlich lang, wenn man in dieser Zeit eine Sache am Stück macht. Oder wie beim Fliegen selbst gar nichts macht.
In der B777 der Alitalia saß neben mir am Fenster ein ziemlich dicker Mann. Dieser Mann hat tatsächlich 15 Stunden gar nichts gemacht, keinen Ton gesagt, kein einziges Mal seinen Platz verlassen. Der überdies für den dicken Mann viel zu schmal war.
Ich könnte jetzt an den von mir sehr geschätzten Dr. Erlinger, der jede Woche im Magazin der Süddeutschen Zeitung eine Gewissensfrage beantwortet, schreiben, ob es moralisch in Ordnung ist, dass ein dicker Mann nur einen Platz im Flugzeug bucht, aber de facto eineinhalb benötigt, und deshalb seinen Körper auf den Sitz seiner Nachbarin, in dem Fall also auf meinen, ausbreitet. Sollte daran irgendetwas moralisch in Ordnung sein, dann will ich es gar nicht wissen, denn für mich hatte der dicke Mann neben mir zur Folge, dass ich mich 15 Stunden über ihn aufgeregt habe. Ich habe mit meiner anderen Sitznachbarin, eine zierliche Argentinierin, ausgiebig über diesen Mann geschimpft, aber er hat es einfach nicht verstanden. Vermutlich, weil er keine Fremdsprachen kann. Oder er war einfach ein Stoiker, dem das egal war. Er war auch unbeeindruckt davon, dass ich ihn mehrfach dazu aufgefordert habe, seinen Körper in seinen eigenen Sitz zu zwängen. Es ging halt einfach nicht.
Stunden später, bei der Einreisekontrolle in Buenos Aires ist mir der dicke Mann noch einmal unangenehm aufgefallen, als er die Gelegenheit genutzt hat, sich in der Schlage vorzudrängen. Der Mann, das habe ich noch an seinem Pass gesehen, war Kroate. Jetzt frage ich mich, was ein allein reisender, viel zu dicker Kroate, der kein Spanisch, Englisch oder Italienisch spricht, in Argentinien will.
Der Flug war also eher ätzend, aber vielleicht sind das 15-Stunden-Flüge, die man fast verpasst, weil der Zubringer Verspätung hat, immer. Trotz dieser Grundvoraussetzungen verging er gefühlt dann doch irgendwie ziemlich schnell und Alitalia hat alle regelmäßig mit üppigen Mahlzeiten versorgt. Es gab sogar Alkohol.
Auf dem Bildschirm zogen zuerst die Brennpunkte Afrikas 10 Kilometer unter uns vorüber, bevor die Maschine bei Dakar Kurs auf den Atlantik nahm. Als der so etwa halb überquert war, ging es um 5.40 Uhr MEZ über den Äquator und dann nach dem Erreichen Südamerikas die brasilianische Küste entlang in Richtung Argentinien. Um 12 Uhr MEZ, Ortszeit 8 Uhr, landete der Flieger dann Gott sei Dank heil.
Komplikationslos durfte ich einreisen, der Hoteltransfer hat auf mich gewartet und dann bekam ich die erste Ahnung von der gigantischen Ausdehung Buenos Aires. 13 Millionen Menschen leben hier offenbar hauptsächlich in ein- bis zweistöckigen Behausungen. In der Stadt selbst sieht die Bebauung etwas höher aus, aber von einer Wolkenkratzerverdichtug kann keine Rede sein.
Dem Wunsch, mein müdes Haupt auf ein Kissen zu betten, widerstand ich, irgendwie muss der Jetlag auf Sparflamme gehalten werden. Erschlagen von der Anreise und der Größe der Stadt wagte ich mich auf eine erste Erkundung, die mich zum Obelisken führte, dem ziemlich schäbigen Wahrzeichen der Stadt. Dabei habe ich festgestellt, dass die Sonne auch auf der Südhalbkugel im Süden steht. Aber sie hat sich ohnehin schnell hinter Gewitterwolken versteckt.
Weil heute Freitag war, wollte ich dann noch zu den Müttern und Großmüttern auf die Plaza de Mayo. Kriegsveterenanen waren da, Mütter nicht, aber dass sie das Unrecht, das ihren Töchtern und Söhnen während der Militärdiktatur angetan wurde, auch heute noch anprangern, das wird auf Transparenten deutlich. Auch Veteranen des Guerra um die Islas Malvinas (auf gar keinen Fall von den Falkland Islands sprechen!!!) protestieren hier. Ob man das Casa Rosada, wo die nicht zuletzt aus dem Evita-Musical berühmte Balkonszene über die Bühne ging, besichtigen kann, muss ich noch prüfen. Mit Eva Peron haben es die Argentinier offenbar heute noch, obwohl ich das nicht ganz verstehe. Wohlwollend ausgedrückt, war sie ja eher „schillernd“ als seriös. Aber vielleicht versteht man das aus europäischer Sicht auch einfach nicht. Ihr Porträt auf dem Hochhaus in der Flucht des Obelisken ist jedenfalls auch ziemlich hässlich.
Ich habe mich in die „Subte“, die Metro, gewagt und ich habe Lebensmittel eingekauft. Wenn man sich an argentinische Produkte hält, dann ist das aus der Sicht des Europäers ziemlich günstig. Weil es hier von Burgerking bis Starbuck’s aber auch alles gibt, kann man für einen Kaffee auch fünf Euro hinlegen…
Und Casa Rosada ist der Regierungssitz? Da bin ich gespannt, welcher Teil davon zu besichtigen ist. Und ob das überhaupt geht?
Ich bin jedenfalls jetzt schon Fan deines Blogs ?
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Also: Man konnte die Casa Rosada bis vor einiger Zeit besichtigen, jetzt aber nicht mehr. Das Gebäude ist quasi das argentinische Bundeskanzleramt. Die Wachfrau hat mir auch meine Frage nicht beantwortet, warum das nicht mehr geht. Ich bin jetzt ein bisschen enttäuscht, weil ich gehofft hatte, auf diesen Balkon zu gelangen und dort „Don’t cry for me Argentina“ zu singen. Vermutlich hatten diese Idee schon vor mir so viele Menschen, dass das der wahre Grund ist, Touristen jetzt den Zutritt zu verwehren. Nur kann man das ja als Regierung nicht öffentlich kommunizieren.
Man kann fast ganz an das Gebäude hinlaufen, das Foto habe ich deswegen ausgewählt, weil darauf die Anklagen der „madres“ stehen, die sich heute besonders um die Frage kümmern, was mit den Kindern passierte, die während der Militärdiktatur ihren Müttern weggenommen wurden.
Ein guter Roman zum Thema ist „Mein Name ist Luz“ von Elsa Orsorio (danke Margarit!), in dem zum Beispiel beschrieben wird, dass Gendatenbanken eingerichtet wurden, um die Kinder, die ja jetzt schon erwachsen sind, wieder ihren Familien zuzuordnen.
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