
Pavarotti war natürlich auch hier, im Teatro Colón. Es soll ihm nicht gefallen haben, wenn man der rothaarigen Führerin Federica mit der rauchigen Stimme glauben darf. Pavorotti soll Angst vor falschen Tönen gehabt haben, die die Akustik des Hauses nicht verziehen hätte. Dass die Akustik des Saales einfach nur wow! ist, das hört sogar der Laie bei einer ganz normalen Probe des Orchesters. Dank der netten Führerin kann auch eine unbedeutende Besucherin wie ich eine Ahnung davon bekommen, wie es sich anhört, von der zentralen Loge aus ein Konzert, eine Oper, ein Ballett zu sehen. Von der Loge aus, von der sonst Staatsgäste oder andere Offizielle das Geschehen verfolgen. Einfach nur wow!
Zwischen der Plaza Lavalle und der Avenida 9 de Julio gelegen, bauten zwischen 1889 und 1908 die Architekten Francesco Tamburini, Angelo Ferrari, Victor Meano und Julio Dormal dieses unglaubiche Gebäude. Es wurde am 25. Mai 1908 mit der Oper Aida von Giuseppe Verdi eröffnet. Das Theater hat 2500 Sitz- und 1000 Stehplätze und ist scheinbar fast immer ausverkauft. Die im obersten Rang, Paradiso genannt, nennt der Volksmund, glaubt man Federica, „Hühnerstall“, weil es dort wohl niemanden lange auf den Sitzen hält. Ich will in den kommenden Tagen schauen, ob ich an eine Karte komme. Das Tschaikowsky-Konzert war heute Abend leider schon vergriffen
Das Theater war seit dem 1. November 2006 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen und sollte am 25. Mai 2008 zum 100-jährigen Jubiläum wieder eröffnet werden. Wegen der prekären finanziellen Lage der Stadt war der Termin nicht zu halten, es wurde schließlich am 24. Mai 2010, zur 200-Jahr-Feier der argentinischen Unabhängigkeitsbewegung, wiedereröffnet.
Jahrelang war das Haus in dieser Zeit ganz geschlossen: Es war etwas heruntergekommen. Um diese wow!-Akustik, die scheinbar auch die größten Sänger das Fürchten lehrt, nicht zu gefährden, machten die Restauratoren offenbar eine Wissenschaft aus ihrer Arbeit. Mit weißem Marmor aus Carrara hatten sie es zu tun, mit gelbem aus Siena und mit roséfarbenem von wer weiß woher. Die Polster der Sitze, die Stoffe der Vorhänge, die Teppiche, das Holz, die Farben und all die technischen Finessen, um aus der Akustik das letzte heraus zu holen, alles wurde detailgetreu aufgefrischt. Jetzt erinnern noch manche bewusst belassene vergilbte Relikte an den vorherigen Zustand.
Der Haupteingang liegt übrigens abgewandt zur Avenida 9 de Julio, dieser Riesenstraße. Wie vermutlich jeder, der zum ersten Mal auf dieses Haus zugeht, bin ich von diesem Boulevard aus direkt in den Hintereingang. Auch der kann sich allerdings sehen lassen und die beiden Jungen Männer, die hier irgend einen ganz wichtigen Dienst tun, beantworten sicher täglich hundertfach die Frage, ob es auch Führungen durch das Teatro gibt.

Die Frage, warum der prächtige Eingang gefühlt an der falschen Stelle ist, lässt sich leicht beantworten: Diese Riesen-Avenida gab es einfach noch nicht, als das Theater gebaut wurde.
Fürs fleißige Lesen gibt es jetzt noch einen kleinen Film. Wer weiß, welche Musik da gespielt wird, der kriegt einen Extrapreis. Ich hab’s nämlich vergessen. Und wer genau hinsieht, der sieht nicht nur mich, sondern auch so ein vergilbtes Relikt aus der Zeit vor der Renovierung.
Buenos Aires scheint sehr inspirierend zu sein!!! Du solltest nur noch reisen und schreiben, querida hermana 🙂 Freue mich schon auf die nächsten Geschichten und leide immer noch mit Dir in Sachen dicker Mann …;-))
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Den Wow-Effekt kann man in jeder Sekunde des Filmes erahnen, auch wenn ich das gespielte Stück nicht erkannt habe. Dafür die Filmerin im Spiegel… 😉
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Wannst‘ amol so weit fortkummst, hosd ganz schee wos za schreim. Sehr beeindruckend, akustisch, optisch und vor allem auch literarisch. Da wäre gar nicht so viel zu redigieren, jedenfalls deutlich weniger als bei vielen Texten, mit denen man im alten Europa aktuell so zu tun hat. Es scheint kein Fehler gewesen zu sein, dich für zwei Wochen als Korrespondentin zu den Gauchos zu lassen. Freu mich schon auf die nächste Geschichte. Buena onda!
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