Er singt jeden Tag besser

„Er singt jeden Tag besser“. Das ist für die Portenos ein geflügeltes Wort. Sie meinen damit Carlos Gardel. Geschockt waren die Argentinier, als er 1935 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Noch heute pilgern sie an sein Grab, stecken ihm eine Zigarette in die Hand seiner Bronzestatue und wollen es nicht glauben, dass er tot ist. Carlos Gardel machte den Tango mit seinen Liedern weltberühmt.

Carlos Gardel hat seine eigene Subte-Station.
Carlos Gardel hat seine eigene Subte-Station.

Buenos Aires und Tango, Tango und Buenos Aires: Tango ist in der Metropole überall und nirgends und auf jeden Fall dort, wo die Touristen sind. Zu jeder Tageszeit, rund um die Uhr. Morgens auf der Plaza de Mayo, mittags im Café, abends in der Fußgängerzone. Natürlich in der Milonga und auf der Theaterbühne. Buenos Aires ist Tango, so klischeehaft das klingt.

Tango ist auch ein Wirtschaftsfaktor: Im schwer angeschlagenen und von Inflation geplagten Argentinien der 1990er Jahre erkannten zahlreiche junge Musiker und Tänzer das ökonomische Potenzial der Tangotouristen und widmeten sich verstärkt dem Tango. Inzwischen gibt es am Rio de la Plata wieder ein großes Angebot an Milongas und Tanzshows. Eine Studie des Buenos Aires Government Observatory of Cultural Industries beziffert die Summe, die direkt durch den Tango im Jahr 2006 erwirtschaftet wurde auf etwa 135.000.000 arg$, 75 Prozent davon kamen von ausländischen Tanzbegeisterten. Wenn die Kosten für Transporte, Unterkunft und Verpflegung mit eingerechnet werden, ist nach dem Wirtschaftsforscher Jorge Marchini vom dreifachen der genannten Summe auszugehen. Etwa 150.000 Menschen nehmen in Buenos Aires regelmäßig Tangounterricht. Marchini geht von 300 Milongas an 120 unterschiedlichen Orten mit etwa 35.000 wöchentlichen Besuchern aus. Auch andere Wirtschaftsbereiche Argentiniens profitierten von der Entwicklung, wie beispielsweise bei der Herstellung und dem weltweiten Verkauf von Tanzschuhen über das Internet. Hier wurden in den Jahren 2006 bis 2008 95 Prozent des Umsatzes mit ausländischen Kunden erwirtschaftet.

Tango bleibt trotz allem Musik, Gefühl, trotz aller Kommerzialisierung. Tango nervt nicht, zu keiner Zeit.  Der Tango-Komponist Enriqure Santos Discépolo wird mit dem Satz zitiert: „Tango ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann.“ Tango ist Sehnsucht, Tristesse und gleichzeitig Lebensfreude, Tango ist die erste globalisierte Musik, die aus allen Sehnsüchten, Hoffnungen und Enttäuschungen der Einwanderer im 19. Jahrhundert entstand.

Der Tango hat eine wechselvolle Geschichte, war fast schon verschwunden, wurde für die Exil-Argentinier, die vor der Militärdiktatur (1976 bis 1983) flüchteten, zu einem Stück Heimat, die sie vom Rio de La Plata mitnehmen konnten. Auch Astor Piazzolla (*1921 +1992) lebte in dieser Zeit in Italien. Durch Gardel kam er zum Tango. Weil er als Kind einige Jahre in New York gelebt hatte, holte ihn der Sänger, auch international immer erfolgreicher, als Englischdolmetscher. Piazzolla krempelte den Tango grundlegend um, mischte ihn mit Jazz und anderen musikalischen Einflüssen. Mit „Libertango“ wurde Piazzolla selbst unsterblich.

Ein Kommentar zu „Er singt jeden Tag besser

  1. Nun hast du ihn also doch gefunden, den Tango.
    Und offenbar rauchen in Buenos Aires sogar die Bronzestatuen… Bringst du Hörbares mit?

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