Natürlich ist dieser Markt irgendwie auch für die Touristen. Für die Reisenden, die das so genannte Authentische suchen. Das ursprüngliche Sizilien. Gerne in Gruppen. Aber welcher Tourist kauft sich hier schon einen frischen Fisch? Vielleicht einen Pfirsich oder Trauben. Mandeln, Limoncello oder Gewürze für Pasta, die dann zu Hause doch nicht so schmeckt, wie die Duftorgie in dieser schmalen Gasse verhießen hat? Die Touristen lassen sich bei über 30 Grad zur Mittagszeit hier einen Vino schmecken und nehmen dann vielleicht ein paar Flaschen mit nach Hause.
Der Antico Mercato di Ortigia in Siracusa liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Apollo-Tempel, der, wie ein Führer auf Englisch erklärt, bis zum Erdbeben 1693 noch so ziemlich unversehrt gewesen sein soll. Kann stimmen, muss aber nicht. Jedenfalls stehen die Säulen ziemlich beiläufig am Ende des Corso Umberto, liegen tiefer als der Platz. Der Betrachter schaut auf diese Überreste einer glorreichen Geschichte fast ein bisschen herab. Zwangsläufig. Betreten darf man die Ruinen nicht.
Am östlichen Ende, vor der alten Markthalle, die geschlossen ist, stehen ein paar Stände, Sonnenhüte, Taschen und Andenkenkitsch gibt es hier. Kaum eines Blickes wert. Selbst die Afrikaner, die hier handeln wollen, glauben nicht an Kundschaft und sitzen etwas abseits im Schatten. Die Via Trento zweigt von hier ab. Eine schmale Gasse eher, überspannt von gestreiften Marktschirmen, und hier eröffnet sich dann ein Stück Sicilianità, ganz unerwartet. Geschrei ist aus den Pescherie, den Fischläden, rechter Hand zu hören, Singsang in allen Lautstärken, breitestes Sizilianisch, das sich höchstens wie Italienisch anhört. Aber eigentlich klingt es wie große Oper. Da braucht der Zuschauer auch ein Libretto, um die Handlung zu verstehen.
Immerhin, so viel ist auf dem Markt verständlich: Es geht um den Fisch, der, in der Hitze appetitlich auf Eis gepackt, feilgeboten wird. Alle Farben, alle Arten, die das Ionische Meer hergibt, sind in der Auslage. Auch Austern, Seeigel, kleine Fische, große Fische, mit und ohne Schwert.
An den Ständen gegenüber die Beilagen: Sizilien ist ein Füllhorn, war es schon immer, zu allen Zeiten, in allen Epochen und man fragt sich verwundert, wo nur all das Wasser herkommt für diese reiche Ernte. Geregnet hat es in diesem Jahr kaum. Alle Sorten von Obst, Gemüse, Pistazien aus Bronte, Mandeln aus Avola, Oliven, schwarze, grüne, eingelegte: Der Tisch ist reich gedeckt.
Und da zeigt sich dann, dass der Antico Mercato eben doch nicht für die Touristen da ist. Die Siracusani haben hier am Samstag Vormittag die Oberhand. Nur das Beste ist ihnen gut genug bei ihrem Einkauf für den Sonntag. Mit Argusaugen überwachen sie, ob ihnen auch wirklich nur die besten Fische, die schönsten Pfirsiche und die größten Kartoffeln eingepackt werden.
Sie lassen sich nicht täuschen von der theaterreifen Vorstellung der Händler. Und nicht stören von den staunenden Touristen.