Choripan

Carmelita kennt keine Gnade. Ein Knall, dann fliegen die Tauben weg. Noch einer und noch einer. Bis ihre Imbissbude vogelfrei ist. Zumindest eine zeitlang. Die resolute Frau wirft Feuerwerkskörper, um des lästigen Federviehs Herr zu werden.

Choripan
An der Darsena Sud reiht sich eine Parrilla an die andere. Tauben werden hier schon mal mit Feuerwerkskörpern vergrämt

Carmelita betreibt eine Parrilla an der Darsena Sud. Ihre Miniaturbraterei reiht sich mit Dutzenden anderen entlang der Promenade auf. Mittags kommen die Angestellten aus den nahen Bürotürmen hierher. Auf den Rio de la Plata können sie beim Verzehren ihrer Choripans oder Milanesas nicht mehr blicken.

Choripán mit Chimichurri-Soße ist für den Argentinier so etwas wie "Drei im Weckla" für den Franken.
Choripán mit Chimichurri-Soße ist für den Argentinier so etwas wie „Drei im Weckla“ für den Franken.

Dabei war das früher ganz und gar anders: 1882 beschloss die argentinische Regierung, endlich einen Hafen für Buenos Aires zu bauen. Bis dahin mussten die Schiffe wegen der geringen Wassertiefe des Rio de la Plata weit draußen ankern. Fracht und Passagiere kamen nur mit flachen Fähren an Land. Eduardo Madero sollte im Auftrag der Regierung diesen unbequemen Zustand ändern. Der von den Londoner Docks inspirierte Hafenbau begann 1887, dauerte etwa zehn Jahre und die Anlagen stellten  für die damalige Zeit ein ingenieurtechnisches Meisterwerk dar. Allerdings nur für kurze Zeit, denn die technische Schnelllebigkeit unserers digitalen Zeitalters hatte scheinbar ihren Vorläufer in der Industrialisierung:  Wieder zehn Jahre später war der Hafen hoffnungslos veraltet, da mittlerweile noch größere Schiffe vom Stapel liefen.

Die argentinische Regierung beauftragte erneut den Bau eines Hafens, des Puerto Nuevo. Seit 1926 wird der von Schiffen angelaufen, bis heute. Der Bauingenieur Luis Huergo, der beim ersten Hafenprojekt noch abgelehnt worden war, hatte offensichtlich beim zweiten Anlauf eine größere Weitsicht bewiesen als sein Konkurrent Maderas.

Maderas Werk, das recht schnell überflüssig war,  verfiel allmählich. Ab 1925 wurden regelmäßig wiederkehrende Versprechungen gemacht, die Hafen-Brache wiederzubeleben oder sie platt zu machen. Erst in den 1990er Jahren wurde mit der „Rekultivierung“ ernst gemacht.

Entstanden ist eine schicke Hafen-City, in der alte Lagerhäuser restauriert wurden und verglaste Wohn- und Bürohäuser architektonische Akzente setzen sollen. Das ist so verwechselbar, dass man sich auch in Hamburg oder London wähnen könnte.

Entstanden ist eine schicke Hafen-City, in der alte Lagerhäuser restauriert wurden und verglaste Wohn- und Bürohäuser architektonische Akzente setzen sollen. Das ist so verwechselbar, dass man sich auch in Hamburg oder London wähnen könnte.
Entstanden ist eine schicke Hafen-City, in der alte Lagerhäuser restauriert wurden und verglaste Wohn- und Bürohäuser architektonische Akzente setzen sollen. Das ist so verwechselbar, dass man sich auch in Hamburg oder London wähnen könnte.

Carmelita hat keinen Blick für diese globalisierte Welt. Sie schaut von ihrer Bude aus auf das Reserva Ecólogica Costanera Sud, ein Naturschutzgebiet, das in den 1970ern, als im Zuge des Schnellstraßenbaus in Buenos Aires Schutt von abgerissenen Gebäuden in den Fluss entlang der Avenida Costanera Sur gekippt wurde. Mit der Zeit entstand festes Land, das unter Fachleuten als beispielhaft für die argentinische Pampa gilt. Selbst Laien können das Pampagras orten und sich über kleine grüne Papageien freuen. Zwar steht die Fläche derzeit noch unter Schutz, aber seine Zukunft ist unsicher. Pläne zur kommerziellen Bebauung sind ebenso eine Bedrohung wie Pläne zum Bau einer Nord-Süd-Schnellstraße, die durch die Reserva Ecológica führen soll.

Mit der Zeit entstand festes Land, das unter Fachleuten als beispielhaft für die argentinische Pampa gilt.
Mit der Zeit entstand entlang der Avenida Costanera Sur aus in den Fluss gekipptem Bauschutt festes Land, das unter Fachleuten als beispielhaft für die argentinische Pampa gilt.

 

 

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