Salvatore und sein Sohn Corrado blicken vom Liegeplatz ihres Kutters im Hafen von Portopalo auf Afrika. Lybien, 400 Kilometer weiter südlich. Seit vielen Monaten versperren ihnen aber Boote die freie Sicht aufs Mittelmeer. Kutter, aufgetürmt an Land, hinter der Mole, fast wie ein Mahnmal, das entstand, weil die Fischer von Portopalo nicht wissen, wohin mit ihrem Fang. Denn sie bringen seit Jahren nicht nur Fisch mit zurück in den Hafen der kleinen Fischerstadt am südlichsten Ende Siziliens, immer öfter schleppen sie auch Schiffe dorthin.
Die Holzkutter sind pittoresk bemalt. Die arabischen Schriftzeichen auf den Planken versteht hier niemand. Sie geben dem Betrachter lediglich Aufschluss darüber, welche Fracht sie vermutlich an Bord hatten: Flüchtlinge. Männer, Frauen, Kinder, die irgendwo 400 Kilometer weiter südlich auf diese Seelenverkäufer gegangen sind, ohne Hab und Gut, dafür mit umso mehr Hoffnung.
Eine zerschlissene Decke, ein einzelner Gummischlappen, der Größe nach vermutlich von einem Mann, sind die einzigen Zeugnisse dieser Menschen, von denen die Fischer von Portopalo nicht wissen, welches ihr Schicksal war. Ob sie es auf die Insel geschafft haben, ob sie ertrunken sind.
„Wir wissen nicht, was wir mit den herrenlosen Booten machen sollen“, erzählen Salvatore und sein Sohn Corrado. „Wir bringen sie in unseren Hafen.“ Manche liegen im Wasser, viele aufgetürmt hinter der Mole. Wind und Wetter ausgesetzt, manche ausgebrannt. Dienen streunenden Hunden als schattiges Plätzchen in der sengenden Mittagssonne Siziliens.
Die namenlosen Boote im Fischerhafen von Portopalo, abgeladen auf einem Abwrackplatz für Hoffnungen, achtlos arrangiert von den sizilianischen Seemännern zu einem zufälligen Mahnmal an einem der südlichsten Außenposten Europas.