Der Auferstandene wirbt für seine Sache

 

Unter dem Wegweiser nach San Marco wirbt eine Woche nach Ostern noch der Auferstandene für seine Sache. Von der SP24 von Noto, am Friedhof vorbei, die Hügel hinauf in Richtung Palazzolo Acreide lädt irgendwann San Marco zum Rechtsabbiegen ein. Verblichen ist das blaue Schild und wer weiter nach Palazzolo Acreide will, wird es vielleicht gar nicht sehen. An diesem perfekten April-Sonntag aber, an dem die Insel sonnendurchflutet ist und mit bunten Tupfen der Blüten verziert, tief grün noch der Weizen, der in der steifen Brise weht. Gezwitscher der Vögel erfüllt die Luft, die dazu von einer Duftsinfonie geschwängert ist, wähnt sich der Reisende nicht in Eile. San Marco lädt an diesem perfekten Sonntag dazu ein, einen Umweg zu wagen.

SP24

Also rechts abbiegen: Durch eine verzauberte kleine Allee führt zuerst die Straße ohne Namen, aber mit vielen Schlaglöchern. Die Sonne bricht sich nur schwer durch das Laub. Linker Hand grasen ein paar Kühe. Nichts bringt sie aus der Ruhe. Rechts parkt der verbeulte Panda eines alten Bauern, der nach seinem Land sieht. Das bedeckt ist mit schwerer, fruchtbarer Erde. Er ist in diesem Frieden der letzte Mensch.

Die Allee endet bald. Die Straße säumen nun nicht mehr Bäume, sondern kleine Mauern, teilweise bereits im freien Verfall. Häuser gibt es hier keine, auch keine Wegweiser mehr. Ein paar aufgelassene Hütten sind zu sehen, aber keine Menschenseele. Dafür noch mehr Blumen, noch mehr Vögel. Der Wind weht kräftig an diesem Nachmittag auf den Monte Iblei im Südosten Sizilens.

Schmale Pfade zweigen von der engen Straße ab. Sie sind nicht geteert, dafür gepflaster mit großen Brocken. An ihnen weisen keine Schilder den Weg. Also lieber nicht mit dem Wagen abzweigen. Besser aussteigen und zu Fuß nach San Marco suchen, trotz der Angst vor heimatlosen Hunde, die in Sizilien überall hungrig aus dem Gebüsch brechen können. Doch auch die Pfade führen ins Nirgendwo. Noch mehr Blüten, noch mehr Düfte. Zauberhafte Ausblicke auf die Hochebene, unter der die Erde jederzeit in Aufruhr geraten könnte. Ein schweres Beben hat hier am Ende des 18. Jahrhunderts alles zunichte gemacht. Vielleicht auch San Marco. Vielleicht hat sich nach dem Erdbeben niemand die Mühe gemacht, das Dorf wieder aufzubauen, anders als bei den Städten im Val die Noto: Modica, Ragusa, Noto und all die anderen, die heute zum Weltkulturerbe zählen. Vielleicht ist der ausgeblichene Wegweiser an der SP 24 zwischen Noto und Palazzolo Acreide das Einzige, was noch an San Marco erinnern soll, die einstige Heimat für Menschen, die es nicht mehr gibt. Eine Antwort darauf gibt an diesem perfekten Sonntag Nachmittag niemand an diesem menschenleeren Fleck.

Noto
Noto

An der Kreuzung, wo die schmale Straße zurück in eine andere Hauptstraße mündet, gibt es keinen Wegweiser mehr nach San Marco.

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