Die Sonne hüllt sich in Dunst. Durch die Straßen fegt heißer Wind. Die Fenster der Häuser bleiben geschlossen, das ist der einzige Schutz, den es gegen die Gluthitze gibt.
40 Grad im Schatten misst das Thermometer. In den nahen Bergen brennt es mal wieder. Die Löschflugzeuge fliegen waghalsig über Testa dell‘Acqua, lassen ihre Fracht ab und nehmen aus dem Meer neues Wasser auf. Am Strand interessiert die minütlich wiederkehrende Propellermaschine kaum jemanden, höchstens die Kinder.
Im Radio warnen sie davor, rauszugehen. Mit einem gehörigen Wasservorrat wage ich es doch, denn die Hitzewelle hat auch das weiße Licht mitgebracht, das allem die Farbe entzieht und das es auch hier nicht immer gibt, selbst im Sommer nicht. Der hat sich mit aller Macht breit gemacht.
Noto Antica ist heute mein Ziel, das Trümmerfeld, das das verheerende Erdbeben 1793 hinterließ. Bildstöcke entlang der schmalen Straßen hinunter in die Schlucht erinnern daran. Der Asinaro entspringt hier. Unten steht ein bewohntes Kloster, Santa Maria della Scala.
Draußen ist es totenstill. Nicht mal die Grillen zirpen. Der Himmel ist weiß und so wirkt im weißen Licht die Landschaft wie in der Hitze gefroren. Die löchrige Straße führt über eine schmale Brücke am Kloster vorbei, jetzt wieder bergan. Die Gegend ist besiedelt, aber zu sehen ist kein Mensch. Auch kein Laut stört die Stille hier. Links wartet eine aufgegebene Fattoria auf einen Käufer, wohl schon lange.
Hinter der nächsten Kehre dann eröffnet sich der Blick auf die noch immer mächtigen Relikte des einstigen Netum oben auf dem Monte Alveria. Die Straße ist hier nurmehr ein enger Weg, wehe es käme Gegenverkehr. Einer müsste rückwärts weichen. Aber es kommt keiner. Was, wenn hier der Wagen streikte? Einfach stehenbleiben würde. An der Flanke des Hügels, auf die die Sonne brennt und wo es keinen Schatten gibt. Nicht daran denken. Einfach weiterfahren.
Dann empfängt die stolze Stadt ihre Besucherin. Es heißt, sie soll eine griechische Gründung sein. Das Stadttor, die Porta montagna ist geöffnet und beim unerwarteten Eintreffen eines Menschen nimmt eine Ziegenherde reißaus. Ihre Glocken zerschneiden die Stille.

Die Ziegen sind die heutigen Herrscher Netums. Vor dem gewaltigen Erdbeben 1693 lebten hier 14400 Menschen. Die Naturkatastrophe besiegelte ihr Schicksal und das ihrer Stadt. Die Ruinen sind Ihre letzte Ruhestätte.
Das alte Netum wurde aufgegeben und Noto rund sieben Kilometer, näher am Meer, neu errichtet.