Vedremo

Nach einigen Wochen Deutschland bin ich wieder gefangen im alltäglichen Vermessen der Zukunft. Dienstpläne, Freizeitgestaltung, Wocheneinkauf, alles ist auf Planbarkeit ausgerichtet. Für Spontaneität bleibt da wenig Platz. Keine Zeit, der Terminkalender ist voll. Schon vor dem Aufstehen weiß ich, wo ich abends gewesen sein werde, wenn ich mich wieder schlafen lege. Klammheimlich sehne ich mich dann nach meinem Leben in Sizilien.

Nach der Leichtigkeit, keine Pläne machen zu müssen. Das Leben nicht der Uhr zu unterwerfen. Im Vagen zu bleiben. Alles zu können und nichts zu müssen. Kein höheres Ziel zu verfolgen, keine konkreten Absichten zu haben. Nicht berechnend zu sein. Verbindlich in der Unverbindlichkeit zu bleiben.

Was aus deutscher Perspektive chaotisch erscheint, funktioniert aus der sizilianischen. Vielleicht nicht perfekt, aber dafür entspannt. Wenn ich zur Post muss, dann weiß ich, dass ich Zeit mitnehmen muss. Wenn ich einen Termin beim Amt habe, ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass der Sachbearbeiter erst eine Stunde später kommt. Pazienza, Geduld, ist in Sizilien eine der Grundtugenden, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so aussieht.

Wenn in Sizilien mein Deutschsein mit mir durchgeht, wenn ich etwas planen will, was an einem Montag in der noch fernen Zukunft des kommenden Wochenendes liegt, dann höre ich oft „vedremo“, man wird sehen. In der endlos langen Zeitspanne bis dahin könnte ja die Welt untergehen. Lieber nicht festlegen. Schließlich ist nichts gewiss, im Leben schon gar nicht.

Deshalb lasse ich das mit der Planung ganz schnell wieder sein. Gehe lieber erstmal ganz entspannt auf einen Caffè in die nächste Bar und schaue, was als nächstes passiert; lasse den Tag, das Leben sich entfalten, ohne ängstlich zu taxieren, was daraus werden könnte; lasse die Zukunft dort, wo sie hingehört, im Reich des Ungewissen.

„Vedremo“, antworte ich dem Barista zum Abschied auf die Frage, ob ich morgen wiederkomme.

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