Eskalation

Nein, Feiertage sind keine Erfindung der Gewerkschaften. Der römische Kaiser Augustus war der Schuldige, der als erster die Idee hatte, die Menschen mit freier Zeit zu beschenken. Daher kommt auch dieser etwas sonderbare Begriff Ferragosto, den hier im Moment einfach alle ständig benutzen. Der 15. August, der Tag aller Tage, das Datum, an dem der italienische Sommer eskaliert.

Caesar Augustus

Kaiser Augustus war es also mit seinen Feriae Augusti, was auf Latein soviel bedeutet wie Festtage des Augustus. Dieser richtete im Jahre 18 v. Chr. im Sextiis, (sechster Monat, später vermutlich wegen der Begeisterung über die arbeitsfreie Zeit umbenannt in August) diese Feiertage ein, um schon im antiken Rom für Erholung nach der Erntezeit zu sorgen. Stichwort: Panem et circences!

Ursprünglich dauerte diese Ferienzeit einen ganzen Monat lang, gefeiert wurde mit diversen Wettkampfveranstaltungen, aber auch Bräuchen für die Arbeiterschaft. Das Pferderennen in Siena, der Palio, geht zum Beispiel auf diese Tradition zurück.

Das hat sich in ganz Italien bis heute nicht nur erhalten, sondern wurde immer weiter ausgebaut: Seit etwa dem fünften Jahrhundert etablierte sich das Brauchtum, Mariä Himmelfahrt als religiöses Fest ebenfalls am 15. August zu begehen. Die Katholische Kirche erwirkte schließlich eine Zusammenführung von kirchlichem und weltlichem Feiertag, und 1929 wurde mit den Lateranverträgen der nationale Feiertag besiegelt.

Die Wandlung vom antiken zum kirchlichen Fest überrascht in Italien nicht, man denke nur an die vielen Umwidmungen antiker Bauwerke zu Kirchen, wie beispielsweise der Duomo in Siracusa, der einst als Tempel gegründet wurde. Das bedeutete aber letztlich auch den Erhalt dieses antiken Tempels bis heute.

Für Italiener sind diese kulturhistorischen Hintergründe vermutlich gar nicht so wichtig, denn für sie bedeutet Ferragosto vor allem eines: Sommerfrische, Höchstsaison im Tourismus und zentraler Punkt der Urlaubsplanung. Und genau das merkt man in diesen Tagen überall. Wer nicht wie eine Sardine in ihrer Konservenbüchse am Strand liegen will, sollte das Meer am besten meiden. Und in den Bergen sieht es nicht viel besser aus. Anstatt Natur vor allem eines: Blechlawinen.

Die Mutter allen Massentourismus: Mussolinis Treni popolari

Und noch einem kann man ganz eindeutig die Schuld an diesem Massenauftrieb in die Schuhe schieben: dem „Duce“. Mussolini faschistisches Regime hat in den 1920er den Hype um Ferragosto noch gesteigert: Der Tag wurde seinerzeit als „staatlich angeordnete Ferienzeit“, als eine Art Volksfest mit Ausflügen und touristischen Angeboten wie den treni popolari (Sonderzüge der staatlichen Eisenbahn, als erster massentauglicher Fremdenverkehr in Italien in den 1930er Jahren) quasi staatlich verordnet. Der Festtag zieht sich inzwischen durch die gesamte italienische Kultur, in Film, Literatur und Musik wird Ferragosto gehuldigt.

Die Kirche hat am 15. August noch eins draufgesattelt mit üppigen Prozessionen zum Fest der Maria, deren Geist und Körper, so will es die Bibel, in den Himmel aufgefahren sind. Vielleicht hatte sie ja schon geahnt, was an diesem Tag einmal in ganz Italien los sein würde und sich deshalb rechtzeitig aus dem Staub gemacht.

Diese Möglichkeit habe ich nicht. Aber ich mache jedenfalls drei Kreuze, wenn der Auftrieb hoffentlich ab dem 16. August wieder abebbt.

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