Wassernotstand

Heute ist wieder einer dieser Tage, die nach Abenteuer schreien. Meine Wasserpumpe hat ihren Geist aufgegeben. Die Zisterne ist fast leer. Abwarten ist da jedenfalls keine Lösung.

Also den Notfallplan aktivieren. Heißt: die Nachbarn fragen, ob überhaupt Wasser fließt. Die städtische Versorgung funktioniert ja nur ein paar Stunden am Tag. Der Blick in die Zisterne und eine Tasse Kaffee ist für mich in Sizilien deshalb der obligatorische Start in den Tag.

Nachdem es bei allen anderen rauscht und die Pumpen surren, muss ich die Hoffnung auf eine einfache Lösung aufgeben. Aber Rosetta spricht von Bauarbeiten. Sie meint, dass mein Anschluss blockiert ist. Wäre ja immer noch eine ziemlich einfache Lösung. Aber Rosetta meint auch, dass ich ins ufficio muss.

Das Büro macht eigentlich erst in einer halben Stunde auf, aber ich klingle trotzdem. Es öffnet sogar jemand, aber nicht ohne mich missmutig auf die Uhrzeit hinzuweisen. Von sowas lasse ich mich schon lange nicht mehr abschrecken. Ich rede von einem Notfall, rege mich ein bisschen auf. Dann lässt mich der Angestellte rein.

Mein Anliegen kommt auf eine mehrseitige handgeschriebene Liste. Das sieht nicht gut aus. Eher danach, dass mein Fall nie bearbeitet wird. Ich gehe also wieder.

Zehn Minuten später komme ich zeitgleich mit zwei robusten Männern in meinem Vico an. Die beiden ahnen schon, dass ich die Hilfesuchende bin. Die waren also fast schneller da, als ich es vom ufficio wieder nach Hause geschafft habe. Meine Zweifel ob der Liste waren also unbegründet. Die Hoffnung auf ein unkompliziertes Ende steigt bei mir exponentiell.

Die beiden regen sich allerdings erstmal darüber auf, dass mein Wasseranschluss am Nachbargebäude ist. Sie wollen wissen, warum und wo meiner ist. Ich insistiere, dass sie vor meinem Anschluss stehen. Ich spreche von einem baulichen sizilianischen Geheimnis und dass ich nicht wisse, warum das so ist. E sempre stato cosi.

Dann nimmt der eine doch seine Zange und öffnet das Rohr. Eine Sturzflut ergießt sich sofort in die Gasse. Natürlich sind alle Nachbarn draußen und verfolgen das Spektakel. C‘e l‘acqua! Damit ist für die beiden coolsten Stadtwerke-Mitarbeiter, die ich je gesehen habe, der Fall erledigt.

Nicht aber für Rosetta. Sie redet auf die beiden ein, dass sie sich auch noch die Pumpe anschauen sollen. Die hängt in meiner Küche. Machen die zwei dann auch. Sie schrauben sogar was ab und für einen kurzen Moment sieht es so aus, als ob sich das relevante Teil wieder in Bewegung setzen würde. Aber auch diese vorletzte Hoffnung stirbt schnell. Also noch ein letzter alternativer Versuch: Der eine haut mit seiner Rohrzange auf die Pumpe. Mit voller Wucht. Nun ja, erfolglos. Soweit war ich ja heute morgen auch schon selbst.

Ich brauche also einen Idraulico. Rosetta mischt sich wieder ein. Der andere sagt, er kenne einen. Ist bei seinem Job ja nicht ungewöhnlich. Ruft ihn sogar an. Corrado. Ausschweifende Erklärungen. Und ja, Corrado hat heute noch Zeit. Nachmittags. Und ja, er soll die Pumpe gleich direkt kaufen. Kontrolle ist zwar prinzipiell gut, aber Vertrauen auf dieser Insel einfach zielführender.

Jetzt warte ich. Mit fast leerer Zisterne. Fortsetzung folgt!

11.30 Uhr: meine Nachbarn bringen mir gefüllte Wasserkanister.

15.22 Uhr: Corrado war hier. Ohne Pumpe. Aber mit einer Rohrzange, mit der er der widerborstigen Maschine zu Leibe gerückt ist. Eine neue Pumpe wäre viel zu teuer, meinte er. Überflüssig. In fünf Minuten war das Problem behoben. Und morgen früh endet mein Wassernotstand. Hoffentlich!

3 Kommentare zu „Wassernotstand

  1. Aber „unsere“ Rosetta ist doch noch gar nicht runtergefahren. 😉 (In Sizilien ist Rosetta wohl ein weitverbreiteter Name.)
    Ich drücke die Daumen, dass es bei dir kein Notstand wird. Bis jetzt sind die Reaktionszeiten doch klasse, und das im August. Ich weiß nicht, wie es bei uns im Norden wäre, jetzt einen Handwerker zu brauchen. Ciao Anke

    Gefällt 1 Person

    1. Corrado war pünktlichst hier. War eine Sache von fünf Minuten! Keine neue Pumpe nötig. Bin begeistert von dieser Reaktionszeit. In Deutschland warte ich schon seit drei Jahren auf einen Schreiner, der was reparieren soll 🤦🏻‍♀️ Ciao Martina

      Gefällt 1 Person

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