Per le strade di notte

Wenn es mir langweilig ist und mir der Nervenkitzel fehlt, dann fahre ich in Sizilien nachts Auto. Tagsüber hab ich mich ja mittlerweile so assimiliert, dass ich eigentlich den Blinker ausbauen könnte, vielleicht für eine zweite Hupe. Quasi blind fließe ich an Verkehrsknotenpunkten in der chaotischen Autowelle mit und lasse mich schon lange nicht mehr von den Vespa-Schwärmen vor, hinter und neben mir verrückt machen. Ich schüttle sie einfach ab.

Aber nachts, das ist schon nochmal ein anderer Thrill! Erstmal muss man ja aus der Stadt rauskommen. Weil die, wie jede andere Stadt der Welt, die was zu bieten hat, viel zu wenig Platz übrig hat für die vielen Autos, parkt man eben in der dritten und vierten Reihe. Und die Menschen auf ihrer passeggiata müssen sich ja auch irgendwo fortbewegen. Gigantische Staus sind da doch nur natürlich.

Auf Strecken, für die man tagsüber vielleicht zehn Minuten einplanen muss, dauert es gegen 22 Uhr schon mal eine gute halbe Stunde. Ist das geschafft und der Wagen könnte endlich rollen, wird es aber erst richtig abenteuerlich: auf der Landstraße. Schon tausend Mal gefahren, wirkt die Piste plötzlich wie von einem anderen Stern. Und zwar von einem Planeten der Finsternis.

Im Stockdunkeln und nur von der schwachen Funzel eines Kleinwagens erhellt, tun sich plötzlich unbekannte Hindernisse auf: Bordsteine aus dem Nichts, die keinen tieferen Sinn ergeben, als in die Fahrbahn zu ragen. Verkehrsschilder, die vermutlich speziell für die nächtliche Belustigung von Autofahrern mitten auf die Straße gelegt wurden. Sich nur nachts öffnende Schlagloch-Krater. Von freilaufenden Hunden, die lebensmüde am Straßenrand darauf warten, überfahren zu werden, will ich hier gar nicht sprechen.

Mit 80 Sachen übers nächtliche Land zu rasen, ist da schon ziemlich verwegen. Aber selbstredend viel zu langsam, denn innerhalb kürzester Zeit klebt hinten auf der Heckscheibe ein anderes Auto, das mindestens eine Hochschwangere kurz vor der Niederkunft transportiert, sonst müsste der Fahrer ja nicht mit 150 km/h so drängeln.

Welch ein Glück, wenn einen so jemand dann in einer engen Kurve überholt, vom Aufblendlicht im Rückspiegel würde man sonst irgendwann blind werden.

Endlich auf der Autobahn, wird es kaum besser. Bloß nicht den Fehler machen, an einer Auffahrt höflich die Spur zu wechseln, um jemanden einfädeln zu lassen! So wird man nie wieder auf die rechte Spur kommen, denn der Mensch, dem man etwas Gutes tun wollte, drückt zum Dank erbarmungslos aufs Gaspedal.

Wer sein Leben liebt, sollte aber auf gar keinen Fall länger auf der Überholspur fahren, denn die ist besonders nachts ausschließlich professionellen Rennfahrern vorbehalten. Wer sich nicht daran hält, wird gnadenlos abgedrängt oder, noch schlimmer, rechts überholt. Egal wie kurz der Abstand zum davor schleichenden Tanklaster ist.

Wenn mein Adrenalinspeicher ausreichend gefüllt ist, bin ich bereit für die letzte Challenge: In Wohnungsnähe zu nachtschlafender Zeit wieder einen Parkplatz zu finden. Da nehme ich dann gerne auch den Zebrastreifen. Falls noch einer frei ist!

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