Mit Herzblut

Langsam werden sie lästig: die Promis, die hier ständig auftauchen. Jetzt war auch noch Madonna da. Ihren 64. Geburtstag hat sie irgendwo in oder bei Noto gefeiert. Ob die Party tatsächlich im Palazzo Castelluccio lief, ist nicht sicher bestätigt. Möglich wär’s, aber andererseits – wer will in seinem mühsam restaurierten Wohn-Museum schon eine Horde wildgewordener Popstars beherbergen?

Der heutige Besitzer des Palastes, Jean Louis Remilleux, Magnat und französischer Filmproduzent, kennt sich zumindest mit den Spleens von Celebrities aus. Und hat sich einen Namen von Schlössern gemacht, die keiner mehr haben wollte.

Remilleux hat hier in Noto ein echtes Schmuckstück aus der Versenkung geholt und in jahrelanger Restaurierungsarbeit die alte Pracht wieder erstrahlen lassen. Tapeten rekonstruiert, zeitgenössische Möbel herbeigeschafft, Wand- und Deckenmalereien wieder aufpinseln lassen. Für sein denkmalschützerisches Engagement hat er sogar die Ehrenbürgerwürde Notos erhalten.

Seit 2018 darf nun jede und jeder, die oder der will, sich bezaubern lassen von einer untergegangenen Epoche, in der der sizilianische Adel in üppigen Palästen residierte, sich langweilte und irgendwie den Anschluss an die Moderne verpasste.

Der Palazzo Di Lorenzo die Castelluccio, 1782 fertiggestellt, zählt zu den wichtigsten Adelshäusern in Noto. Getoppt wird er eigentlich nur noch vom Palazzo Nicolaci in unmittelbarer Nachbarschaft, der dank seiner absurden barocken Balkonfiguren Weltberühmtheit erlangt hat, quasi Promi-Status unter den Palästen hat. Und im Gegensatz zum Castelluccio-Palast wohnt dort noch ein richtiger Adliger, der hin und wieder mit seinem Rolls Royce durchs Tor fährt.

Bei den Nachbarn war das anders: Weil das Adelsgeschlecht Di Lorenzo Borgia del Castelluccio mit dem Tod des letzten Marchese Corrado di Lorenzo 1981 unterging, fiel das Haus an den Malteserorden. 30 Jahre lang war der Palast danach quasi unbewohnt und bröckelte wie so vieles in Sizilien still vor sich hin, dem Verschwinden geweiht. 2011 erlöste Remilleux das Gebäude vom schleichenden Untergang und steckte viel Herzblut in die Restaurierung, mit der er nicht nur architektonisch sondern auch ästhetisch das Sizilien des 18. Jahrhunderts wieder erlebbar machte.

Auch dieser Palazzo war nach dem großen Erdbeben 1693 gebaut worden, allerdings nicht im hier üblichen Barockstil, sondern neoklassizistisch. Die geradezu nüchtern wirkende Ausstattung ist eine Augenweide und Inspirationsquelle nicht nur für Designer.

Die unzähligen Kammern, Zimmer, Säle und Gewölbe teilten sich die Di Lorenzos bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts mit diversen einflussreichen sizilianischen Familienmitgliedern.

Joachim Murat, Emporkömmling, verheiratet mit Caroline Bonaparte und damit Schwager Napoleon Bonapartes, war der letzte König von Neapel. Er hatte mit seiner Frau ebenfalls ein Zimmer in dieser Adeligen-WG. Heute darf nun das gemeine Volk hineinschnuppern in die Welt der damaligen Schönen, Reichen und ganz schön Reichen.

Jedenfalls bleibt, nachdem der Eintrittspreis in diese vergangene Epoche bezahlt ist, das 21. Jahrhundert vor den Palasttoren. Die Magie des alten Sizilien wirkt in dem alten Gemäuer fort. Es ist eine regelrechte Wohltat, eine Weile in die unterzugehen drohende Sicilianità einzutauchen, nachdem sich die Welt draußen mehr und mehr an die Bedürfnisse der Promis und ihrer Fans anbiedert und damit viel vom einzigartigen sizilianischen Charme aufgibt.

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