Da Marcello

Ich habe bei Marcello schon Pizza geholt, da war ich noch eine ganz normale Touristin. 2009 war das, ewig her. Sein Sohn, der mittlerweile die Bestellungen aufnimmt, war damals noch ein kleiner Junge. Und obwohl Marcello irgendwann mal einen Preis für seine Pizza gewonnen hat, so dokumentiert es jedenfalls eine Urkunde, steht seine Frau hinten am Holzofen und ist für die schmackhaften Teigräder zuständig. Marcello sorgt dafür, dass die Lieferungen richtig raus gehen.

Essen kann man in seinem Laden nicht, aber man kann seine Pizza natürlich auch selbst abholen. Man wartet dann entweder innen oder draußen, auf einer kleinen Terrasse. Sonntags dauert es meistens etwas länger, offenbar bin ich nicht die einzige, die zum Ausklang des Wochenendes keine Lust zu kochen hat.

Und wenn ein paar Siciliani zusammen warten, wird natürlich palavert. Dann nehmen sie meistens auch mich in ihren Gesprächskreis auf. Weil ich ja nicht alles verstehe, was die Leute hier so untereinander reden, dazu müsste ich erst einen Kurs in Siciliano machen, ist auch jedes Mal schnell klar, dass ich eine tedesca bin. Deshalb hat mich heute Abend eine Frau gefragt, ob ich hier Ferien mache.

Ich hab ihr erklärt, dass ich zeitweise in Noto wohne. Woraufhin sie gelacht hat. Sie meinte, dass sie selbst schon lange unbedingt weg wolle aus Noto, während ich freiwillig hierher käme. Das konnte sie gar nicht glauben. Sie hat mir noch erzählt, dass sie mal in Norditalien gelebt habe (wahrscheinlich hab ich sie deshalb so gut verstanden), aber jetzt eben wieder in Noto festhängt.

Sie wollte von mir ganz genau wissen, wie es mich hierher verschlagen hat und was ich an Noto und Sizilien so toll finde, dass ich freiwillig einen Teil meines Lebens hier verbringe. Während doch sehr viele Netini einfach hier weg wollen. Vor allem die Jungen.

Ich wusste nicht so recht, was ich ihr da auf die Schnelle erzählen sollte. Für die ganze Geschichte hätte die Wartezeit auf die Pizza ohnehin selbst an einem Sonntag Abend nicht gereicht. Ich bin also ein bisschen im Vagen geblieben.

Meine Gesprächspartnerin hat schließlich eingeräumt, dass es natürlich in Sicilia und speziell in Noto sehr schön sei, il mare, il sole, das ganze touristische Programm eben. Aber Noto sei eben auch sehr tranquilla, stellte sie fest.

Ich interpretiere das so, dass das Leben in der Stadt für die normalen Menschen, für die, die nicht viel Geld haben, sehr ereignisarm und langweilig ist. Wenig bietet, vor allem keine Zukunftsperspektiven. Da nützt es auch nichts, dass jetzt in jedes noch so runtergekommene Haus ein Airbnb reinkommt.

Warum glaubt man eigentlich so oft, dass es woanders besser wäre? Weiter vertiefen konnten wir unser Gespräch jedoch nicht, denn Marcello rief, dass die pizze pronte seien. Die sind auf jeden Fall besser als anderswo. Aber auch das ist sicher Ansichtssache.

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